Wolf

Nachts bricht er auf,
auf in die Jagd.
Er wäre gern im Rudel,
doch heute ist er allein.
Er ist nicht jedes Mal erfolgreich,
aber jedes Mal ist es eine Tortur,
dieser Gang durch die Gedankenräume,
dieser reisserische Lauf.
Das Knurren höre ich manchmal bis hinein
in meine Träume,
wo nichts schlimmes passiert,
ausser dass ich Züge beobachte,
die unbestigen von mir davonfahren.
Schweissgebadet kehrt er zurück
von seinen schändlichen Taten.
Er tat, was er tun musste.
Man erahnt es nicht,
aber man spürt es,
wenn man davon weiss.
Tagsüber sieht er harmlos aus.
Da schlummert es in ihm,
direkt unter der weichen Oberfläche.
So dick ist diese Haut gar nicht.
Sie ist rau,
hart vom Leben mitgenommen
und der Schmerz des Unbehaglichen,
er zeichnet sich ab
in tiefen Linien,
direkt neben denen,
die von Leichtigkeit und Freiheit stammen.
Dieser Schmerz, er kommt nicht von mir,
aber das geht vergessen,
wenn die Augen bedrohlich zu funkeln beginnen.
Jetzt schwärzt sich die Stimmfarbe,
die Form des Gesichtes zerfällt,
sattes rot,
nichts hält diese Wucht mehr auf,
keine harte Grenze,
keine standhafte Liebe.
Ich habe es geweckt, das Biest.
Denn ich fühlte mich allein,
alleingelassen in der Zweisamkeit.
Die Welt hat mich schon lange mitgerissen
und ich habe mich noch lange nach ihm umgeschaut.
Von innen aufgefressen,
eine leere Hülle auf der Suche nach Sinn.
Ich kann keine Schuld mehr annehmen,
von all der Schuld, die er schon auf sich geladen hat.
Und doch stehe ich da,
Angesicht zu Angesicht.
Ich musste lernen,
mich gross zu machen,
mir ein dickes Fell wachsen zu lassen.
Ich musste lernen, lauter zu knurren,
obwohl ich mich lieber verkrieche,
oder still herabfalle, wie Laub von den Bäumen.
Er hechtet nach seiner Beute,
doch sie ist selber zum Raubtier geworden
und lechzt ihre Zähne.
Mit Wucht prallen sie aufeinander.
Ein endloser Kampf,
bei dem es keinen Gewinner geben kann.
Und die Wunden reichen tiefer.
In der Schmerzhaftigkeit,
in der Unerträglichkeit,
weckt sie den Räuber immer häufiger.
Manchmal bleibt er wach
und begegnet ihr auch am Tag.
Unterschwellig,
versteckt hinter scheinheiligen Worten
und grossen Versprechen.
Es gibt keinen Ausweg,
nur die Konfrontation.
Wenn sie sich nicht zähmen,
dann zerfetzten sie sich,
hauchen dem anderen das Leben aus,
fressen sich gegenseitig auf.
Vielleicht wartet sie nur darauf,
dass er zum letzten Mal ausholt.

xxj
[ἄλφα]

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